Was ist ein Symptom ?
Das "Krankheitssymptom" (IV ORG. § 3 "Sieht der Arzt deutlich
ein, was an Krankheiten, das ist, was an jedem einzelnen Krankheitsfalle
insbesondere zu heilen ist..."), enthält fünf Bestandteile, die
innerhalb der Fallaufnahme selten vollständig erfaßt werden
können.
Ein ideales Symptom umfaßt folgende Aspekte:
"Drückendes Kopfweh (Empfindung) in der Stirne (Ort), bei Bewegung so schlimm (Modalität), daß es ihm die Augen zuzog (Begleitsymptom), im Sitzen gelinder; er mußte sich legen, worauf es sich verlor; beim Auftreten kam es sogleich wieder, zwei Tage lang (Zeit), weder durch Essen noch durch Trinken verschlimmert; so bald er in die freie Luft geht, will es ihm die Stirne eindrücken (Erstreckung), gleich, als wenn ein schwerer Stein auf derselben läge; den dritten Tag verschwand es beim Sitzen in der Stube gänzlich." (RAL Bd.I, Belladonna, Seite 22, Symptom 88) Es ist möglich die passende Arznei aufgrund eines einzelnen Symptoms auszumachen. Die Unzulänglichkeiten der Fallaufnahme sowie die nur fragmentarische Kenntnis über die reine Wirkung der meisten Arzneien lassen dies allerdings nur selten zu, so daß wir uns bemühen müssen, aus einem Komplex von Symptomen, der Symptomenreihe, nach dem Simile zu suchen. (Three points of rest, according to mathematics, being enough to support any object, we may assume that three characterisitics should be sufficient to make a cure very probable. C. Hering im Vorwort des Buches"The Guiding Symptoms of our Materia Medica" §6 Organon VI: "Der vorurtheillose Beobachter, - die Nichtigkeit übersinnlicher Ergrübelungen kennend, die sich in der Erfahrung nicht nachweisen lassen, - nimmt, auch wenn er der scharfsinnigste ist, an jeder einzelnen Krankheit nichts, als äußerlich durch die Sinne erkennbare Veränderungen im Befinden des Leibes und der Seele, Krankheitszeichen, Zufälle, Symptome wahr, das ist, Abweichungen vom gesunden, ehemaligen Zustand des jetzt Kranken, die dieser selbst fühlt, die die Umstehenden an ihm wahrnehmen, und die der Arzt an ihm beobachtet. Alle diese wahrnehmbaren Zeichen repräsentieren die Krankheit in ihrem ganzen Umfange, das ist, sie bilden zusammen die wahre und einzig denkbare Gestalt der Krankheit." Die Entscheidung darüber, ob eine Lebensäußerung als Symptom verwertbar ist oder nicht, verlangt zuallererst, daß eine Abänderung des Gesunden vorliegt. Entsprechend § 3 sind auch nur diese Lebensäußerungen relevant, wenn es darum geht , einen möglichst genauen Vergleich zwischen Krankhaftem und Krankmachendem anzustellen (similia similibus). So ist z.B. ein "mildes sanftes Gemüt" in einem Patienten als Symptom nur dann zu verwerten, wenn bekannt ist, daß es sich in gesunden Tagen bei der betreffenden Person eher um einen Menschen mit gegenteiligen Charakterzügen handelt. Oder die Tatsache, daß jemand während einer akuten Erkankung wegen innerer Hitze die Füße aus dem Bett streckt, ist nur dann verwertbar, wenn man weiß, daß er dies während guter Gesundheit nicht tut. Da die Mittelwahl nur aus dem homöopathischen Symptomenvergleich hervorgehen kann, dürfen sich in diesen keine Nichtsymptome einschleichen (IV ORG. § 7 "... es auch einzig die Symptome sein, durch welche die Krankheit die, zu ihrer Hülfe geeignete Arznei fordert und auf dieselbe hinweisen kann..."). Jede wahlbestimmende Lebensäußerung muß sich eindeutig als Symptom auszeichnen, um zum Simile bzw. Simillimum zu leiten! 1. Lokalisation und Erstreckung Die Analyse des Ortes der Beschwerde ist einfach, allerdings sollte man sich vom Patienten den Ort auch konkret anzeigen lassen. Kinder z.B. sagen häufig "Ich habe Bauchschmerzen", meinen damit allerdings etwas ganz anderes. Außerdem erfährt man auf diese Weise genau, welche Ausdehnung das Symptom hat und wohin es sich erstreckt. 2. Zeit Beginn, Tempo, Abfolge, Dauer, symptomenfreie Intervalle, Periodizität, Veränderlichkeit oder Wechsel mit anderen Symptomen sind nicht nur in bezug auf die Krankengeschichte als solche intereressant, sondern auch auch im Hinblick auf das einzelne Symptom von Bedeutung. Ob ein Symptom zu einer bestimmten Stunde erscheint oder einen bestimmten Rhythmus hat, kann die Mittelwahl entscheiden. Das Tempo, mit dem sich Symptome entwickeln, deutet unter Umständen auf eine bestimmte Mittelgruppe oder gar auf eine bestimmte Arznei hin. Es gibt Symptome, die nur bei bestimmten Mondphasen oder in bestimmten Jahreszeiten auftauchen. Die Abfolge der Symptome bedeutet den Symptomenverlauf, wie sie im Organismus erscheinen. Für die Behandlung z.B. eines Rheumatismus kann es von entscheidender Bedeutung sein, ob die Beschwerden sich von unten nach oben oder umgekehrt entwickelt haben. Die Symptome, die zuerst und zuletzt erscheinen, sind von besonderer Bedeutung. Die ersten repräsentieren das charakteristische Anfangsstadium. Sie sind die ursprünglichen Symptome, die durch eine Behandlung noch nicht verändert oder unklar gestaltet wurden. Die zuletzt erscheinenden Symptome sind gewöhnlich diejenigen, nach denen sich die erste Mittelwahl richten wird. 3. Empfindung Die Empfindung, die der Patient schildert, ist sehr stark abhängig von seiner Intelligenz sowie seiner Fähigkeit, Dinge zu schildern, und ist somit neben den Modalitäten die subjektivste Angabe, die er uns machen kann. Häufig ist er unfähig, eine genaue Beschreibung dessen abzugeben, was er eigentlich meint. Formulierungen wie "es ist, als ob..." sind sehr typisch für diesen Teil der Fallaufnahme. Oft wird man ihm helfen müssen, indem man ihm eine Anzahl bezeichnender Worte nennt, um den Charakter seines Schmerzes oder seiner Empfindung ergründen zu können. Bei den Empfindungen besteht die größte Möglichkeit, eine wirklich subjektive Angabe zu bekommen; allerdings besteht hier auch die größte Gefahr des Mißverständnisses zwischen Patient und Homöopath. 4. Modalität (Verbesserung oder Verschlechterung des Symptoms) Physikalische Faktoren: 1. Zeit
2. Temperatur
3. Wetter
4. Luft
5. Ÿußere Umgebung
Physiologische Faktoren: 1. Geistige Einflüsse
2. Sinneseindrücke
3. Geschlechtsfunktionen
4. Schlaf
5. Stellung und Lage
6. Verdauungsfunktionen
7. Harnentleerung 8. Schweiß 9. Absonderungen und Blutverluste
5. Begleitsymptome Wie der Name sagt, handelt es sich bei Begleitsymptomen um Symptome, die die Lokalbeschwerde begleiten. Ob z. B. Fieber mit oder ohne Schweiß auftritt, ist genauso entscheidend für die Mittelwahl wie der Gemütszustand des Patienten. Darüber hinaus aber werden hierunter sämtliche Krankheitssymptome zusammengefaßt, die den Patienten als "Ganzes" beschreiben. Häufig kann erst hier der wirklich individuelle Charakter des Falles ergründet werden. In der Regel wird der Patient versuchen, seine Lokalsymptome ("local symptoms" nach Kent) mit "Es ist ..." zu beschreiben. Bei der Schilderung seines Gesamtzustandes wird er eher allgemeiner mit "Ich fühle..." oder "Ich habe..." versuchen, seine Situation zu erklären. Diese Symptome sind nach den gleichen Kriterien von Raum, Zeit und Empfindung zu ergründen wie das Lokalsymptom auch. Sie sind der zentrale Ausdruck seiner inneren Persönlichkeit. Diese Allgemeinsymptome ("general symptoms" nach Kent) sind, wenn deutlich markiert vorhanden, von größter Bedeutung und steigen in der Bewertung, entsprechend ihrer Bedeutung für das Sein des Individuums. Hierbei ist leicht einzusehen, daß die Möglichkeit der Individualisierung leichter wird, je mehr man über rein vegetative Funktionen wie Körpertemperatur, Schlaf/Wach-Rhythmus, Abneigungen, Verlangen und Unverträglichkeiten von Speisen etc. in Bereiche eindringt, wo der Übergang zwischen rein Vegetativem und Bewußtsein stattfindet. Charakteristische immer wiederkehrende Träume, das Sexualverhalten des Patienten sowie sein bewußter und unbewußter Umgang mit der Außenwelt können, sofern markant als Symptom vorhanden, den Menschen eher individualisieren als alle anderen vorher beschriebenen Phänomene. Aus diesem Grund nehmen die Geistes- und Gemütssymptome innerhalb der homöopathischen Fallaufnahme einen besonderen Stellenwert ein und verdienen eine gesonderte Abhandlung. |
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