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Arzneistoffe in alphabetischer Ordnung

  
GRIPPEERKRANKUNGEN

von Dr. Douglas M. Borland
Übersetzung:  Markus Acker
 

BRYONIA ALBA

Die typische Bryonia-Grippe entwickelt sich wie der Gelsemium-Fall über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Stunden. Und das Erscheinungsbild ist dem des Gelsemium-Patienten nicht unähnlich. Sie vermitteln einem einen schwerfälligen, betäubten, etwas kongestionierten Eindruck mit ziemlich gedunsenem Gesicht.

Aber obwohl sie einen betäubten Eindruck vermitteln, geben sie nicht das schläfrige Erscheinungsbild ab, welches man bei Gelsemium findet oder das des trunkenen Baptisia-Patienten, der Zustand liegt irgendwie dazwischen.

Wie ich schon sagte, sind Gelsemium-Patienten benommen, schläfrig, schwerfällig und wollen nicht gestört werden. Bryonia-Patienten sind ebenfalls benommen und wollen nicht gestört werden, aber wenn sie gestört werden, sind sie reizbar. Reizbarkeit ist ein typisches Merkmal bei Bryonia-Patienten. Sie wollen nicht sprechen und sie wollen nicht angesprochen werden. Sie wollen nicht antworten, weil sie eine Abneigung dagegen haben zu antworten und nicht, weil sie zu erschöpft dazu wären.

Grundsätzlich sind sie sehr niedergeschlagen; dabei sind sie despotisch und kein bisschen ängstlich, was mit ihnen gemacht wird, sie fühlen sich sehr krank und sind besorgt über ihren Zustand.

Zu der Sorge um ihre drohende Krankheit gesellt sich eine besonders typische Angst um ihr Geschäft. Darüber reden sie und wenn die toxische Belastung zunimmt, neigen sie dazu, davon zu träumen. Es ist ein unterschwelliger Gedanke in ihrem Hinterkopf während der gesamten Zeit ihrer Erkrankung.

Grundsätzlich sind Bryonia-Patienten nur sehr schwer zufrieden zu stellen. Sie neigen dazu, etwas zu verlangen und es dann zu verweigern, wenn sie es bekommen. Sie wollen etwas trinken und wenn sie etwas bekommen, wollen sie es nicht mehr. Oder sie bitten um einen Fruchtsaft und wenn sie ihn bekommen, sagen sie, dass sie lieber einfaches kaltes Wasser hätten, -es ist sehr schwierig, sie zufrieden zu stellen.

Typischerweise haben sie ein ziemlich starkes, generalisiertes Schmerzempfinden. Sie werden Ihnen sagen, dass sie Schmerzen haben, wenn sie sich bewegen, und dennoch sind Bryonia-Patienten häufig dauernd in Bewegung. Sie sind ruhelos, fühlen sich unwohl und bewegen sich, obwohl Bewegung ihre Schmerzen verstärkt.

Vergegenwärtigen Sie sich dies ganz klar, weil in den Lehrbüchern eindeutig beschrieben ist, dass Bewegung Bryonia-Patienten verschlechtert. Offensichtlich schmerzt sie dies, aber sie geraten in einen ruhelosen Zustand, wenn sie nicht stillhalten.

Wenn die Patienten ruhelos sind, müssen sie herausfinden, ob sie das erleichtert oder nicht. Wenn es dies nicht tut, sind sie vermutlich Bryonia-Fälle. Wenn es sie erleichtert, ziehen sie andere Mittel in Betracht, -möglicherweise Baptisia oder eine der anderen ruhelosen Mittel, wie z.B. Rhus tox. Das ist ein Punkt, der früh genug abgeklärt werden muss.

Bryonia-Patienten sind warm und sie fühlen sich unwohl in warmer und stickiger Umgebung; sie haben Verlangen nach kühler Luft. Das passt zu ihrem Durst. Sie sind immer durstig und sie haben Verlangen nach kalten Getränken -nach großen Mengen kaltem Wasser -dennoch, wie ich oben schon erwähnte, kann es sein, dass sie nach kalten, sauren Dingen verlangen und sie dann ablehnen, wenn diese ihnen gebracht werden.

In der Regel schwitzen Bryonia-Patienten ziemlich stark, manchmal profus, -feuchter, heißer Schweiß.

Obwohl diese Patienten empfindlich gegenüber überheizten Räumen sind, findet man gelegentlich eine Bryonia-Grippe mit eindeutig rheumatischen Schmerzen, wobei das eine oder andere Gelenk sehr schmerzhaft wird und geäußert wird, dass warme Applikationen den Gelenkschmerz lindern. Diese lokale Modalität steht im Widerspruch zur allgemeinen Verschlimmerung durch Wärme.

Es gibt ein, zwei weitere Punkte im Zusammenhang mit lokalen Beschwerden, die bei der Differenzierung helfen.

Da wäre die typische Bryonia-Zunge zu nennen. Für gewöhnlich ist sie weißlich, dick belegt. Der weiße Belag hat die Neigung, schmutzig und möglicherweise braun zu werden, wenn der Krankheitszustand längere Zeit besteht. Insbesondere dann, wenn die Atemwege beteiligt sind und der Patient durch den Mund atmet.

Im Zusammenhang mit der trockenen Zunge klagt der Patient, wie man erwarten kann, über einen unangenehmen Geschmack im Mund, sehr oft über einen bitteren Mundgeschmack mit ziemlich intensivem Durst. In der Regel haben diese Patienten ziemlich gedunsene, aufgeschwollene, trockene Lippen, die zu Einrissen neigen und möglicherweise leicht bluten.

Im typischen Bryonia-Rachen findet sich die gleiche extreme Trockenheit, die Hitze und das Brennen. Die Untersuchung der Tonsillarregion und Rachenhinterwand ergibt eine ziemlich ausgeprägte Kongestion; die Tonsillen neigen dazu, kleine, für gewöhnlich weiße Stippchen zu bilden. Zweifellos schmerzt der Rachen beim Schlucken, was natürlich der typischen Verschlimmerung durch Bewegung entspricht.

Bei allen Bryonia-Grippen bestehen intensive Kopfschmerzen. Für gewöhnlich handelt es sich um intensive, kongestive und klopfende Kopfschmerzen, die man in der Regel im Stirnbereich antrifft.

Die Patienten sagen häufig, dass sie das Gefühl eines Klumpens in der Stirn haben, der ihnen direkt auf die Augen drückt.  Der Schmerz hat die Modalität, dass er sehr gelindert wird durch Druck, -fester Druck gegen die schmerzhafte Stirn bewirkt große Erleichterung der Bryonia-Kopfschmerzen.

Wie man erwarten darf, wird der Kopfschmerz sehr durch Anstrengung verschlimmert, -durch Reden, Bücken oder durch Bewegung gleich welcher Art.

Der Schmerz ist schlimmer, wenn der Patient mit dem Kopf tief liegt; die angenehmste Lage ist halb aufrechtsitzend im Bett, -nur halb aufgerichtet.

Manchmal trifft man eindeutige neuralgische Kopfschmerzen bei Bryonia-Grippen; generalisierte neuralgische Schmerzen des Kopfes, mit extremer Empfindlichkeit gegenüber Berührung. Die gesamte Oberfläche des Schädels scheint gereizt zu sein und mag sich bis in das Gesicht erstrecken, bis in die Wangenknochen und auch hierbei wieder extreme Überempfindlichkeit.

Alle Bryonia-Grippen gehen einher mit mehr oder weniger kongestionierten Augen, aus denen sich eindeutige Bindehautentzündungen entwickeln können. Die Augäpfel sind empfindlich auf Druck; manche Patienten sagen, dass sogar das Bewegen der Augen schmerzhaft ist, -ein nicht ungewöhnliches Grippe-Symptom.

Für gewöhnlich haben Bryonia-Patienten keine reichlichen Absonderungen aus der Nase. Häufiger klagen sie über ein Gefühl intensiven Brennens und Hitze in der Nase, oder über Völle und Kongestion.

Üblicherweise kommt es sehr früh zu Ausdehnung des Katarrhs in den Kehlkopf, mit ausgeprägt störender, kitzelnder, brennender Empfindung und starker Heiserkeit, -manchmal mit Stimmverlust. Darüber hinaus besteht ein Rauhigkeitsgefühl und ein beklemmendes Engegefühl in Abschnitten unterhalb des Kehlkopfes, mit sehr beschwerlichem, berstendem, anfallsartigem Husten.

In Bryonia-Fällen konnte ich keine ausgeprägte Tendenz zu akuter Beteiligung des Ohres feststellen. Es ist mehr eine Gefühl der Verstopfung der Ohren und möglicherweise auch etwas Schwerhörigkeit, aber wenig mehr als das.

Bryonia-Grippen haben auch keine ausgeprägte Neigung, den Verdauungstrakt mit einzubeziehen. Selbstverständlich gibt es abdominale Bryonia-Symptome bei anderen Beschwerden aber ich habe nie eindeutige abdomnale Symptome während einer Grippe bemerkt, die Bryonia eindeutig indiziert hätten.

Fast immer findet sich störende Obstipationen und eindeutig ein Appetitmangel, was einen, wenn man den Zustand des Mundes in Betracht zieht, auch nicht wundert. Darüberhinaus kann es sein, dass gewisse allgemeine abdominale Beschwerden, ein Schweregefühl, - fast wie ein Fremdkörpergefühl im Epigastrium vorhanden sind.

Die Patienten wollen nichts essen und wenn man sie dazu drängt, fühlen sie sich danach häufig unwohl. Aber generell habe ich keine akuten Magenbeschwerden im Zusammenhang mit Bryonia-Grippen gesehen. Vielmehr haben sie Brustbeschwerden, sogar eindeutig eher Erkrankungen der Lungen als Erkrankungen des Magens.

Wenn die Lunge betroffen wird, ist es selbstverständlich eine typische Bryonia-Pneumonie, mit starken stechenden Schmerzen in der Brust, einem akuten Engegefühl, extreme Schmerzen beim Husten, Schmerzen der Brust bei Bewegung und dem Verlangen, sich so still wie möglich zu verhalten. Aber dieser Zustand geht weit über unkomplizierte Grippen hinaus.
 

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