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Arzneistoffe in alphabetischer Ordnung

  
GRIPPEERKRANKUNGEN

von Dr. Douglas M. Borland
Übersetzung:  Markus Acker
 

GELSEMIUM SEMPERVIRENS

Vergegenwärtigen Sie sich einen typischen Grippe-Fall, der sich über sechs bis acht Stunden entwickelt. Der Patient hat sich am Tag zuvor vielleicht ein wenig unwohl gefühlt, hatte etwas Kopfschmerzen, ein wenig Fieber, undefinierbare Schmerzen und etwas Katarrh; er geht schlafen, schläft nicht besonders gut, und fühlt sich am darauf folgenden Morgen wie zerschlagen.

Glücklicherweise gibt es ein Mittel in der Materia medica, das genau diesen Zustand produziert und einen hohen Prozentsatz der meisten Grippefälle abdeckt. Diese Droge  ist Gelsemium. Das Mittel entwickelt seine Symptome ziemlich langsam und produziert genau die Symptomatologie, die oben gegeben wird.

Die Wirkung von Gelsemium ist zu Beginn ein wenig langsam und produziert hauptsächlich ein Gefühl intensiver Müdigkeit. Die Patienten sind sehr schwerfällig und träge, haben herabhängende Oberlider und sind schläfrig. Sie möchten nicht gestört werden, sondern möchten, dass man sie in Frieden lässt.; genau hier zeigt sich das erste typische Symptom -wenn sie in irgendeiner Form erregt wurden, verbringen sie, trotz ihres offensichtlich trägen und toxischen Zustand, eine völlig schlaflose Nacht.

Auf jeden Fall ist der Patient kongestioniert. Das Gesicht glüht ein wenig -es ist eher ein milder Flush -die Skleren sind ein wenig injiziert, die Lippen etwas dunkler; die ganze Haut ist etwas dunkler und auf jeden Fall feucht -heiß und verschwitzt.

Ein weiteres Gelsemiumsymptom das mit der heißen, schwülen Empfindung einhergeht, ist ein sehr instabiles Temperaturempfinden des Patienten. Sie fühlen sich heiß und verschwitzt und gleichzeitig haben sie leichte Kälteschauer, die über den Rücken ziehen.  Keine richtigen Frostschauer, sondern kleine Kälteriesel, -als ob jemand mit kalten Händen über den Rücken fährt oder der Rücken mit ein wenig kaltem Wasser besprenkelt wird.

Trotz ihrer allgemeinen Benommenheit befinden sich Gelsemium Grippe-Patienten immer in einem Zustand leichter Erregung. Ihre Bewegungen sind viel unsicherer, als man es bei der Schwere ihrer Erkrankung erwarten würde und auf jeden Fall zittern ihre Hände, wenn sie eine Tasse anheben um zu trinken. Verknüpft mit der Zittrigkeit ist ein Gefühl von Unsicherheit, und sehr oft eine Empfindung des Herabsinkens. Sie fühlen sich, als ob sie aus dem Bett fallen würden, insbesondere im Halbschlaf; sie schrecken plötzlich hoch und haben das Gefühl, aus dem Bett gefallen zu sein.

Wie man es bei jemandem in einem solch toxischen Zustand auch erwartet, sind Gelsemium-Patienten jegliche Anstrengung zuwider; jede Bewegung verschlimmert ihren Zustand. Und mit ihrem instabilen Kreislauf sind sie sehr empfindlich gegenüber Zugluft, die sie frösteln lässt.

In der Regel besteht Mundtrockenheit und die Lippen sind äußerst trocken; sehr oft trocken und rissig oder trocken mit etwas getrocknetem Speichel belegt. Die Patienten klagen über schlechten Mundgeschmack und häufig über ein Brennen der Zunge. Die Zunge selbst ist für gewöhnlich gelb belegt, nur hin und wieder ist sie rot und trocken.

Gelsemium-Grippen gehen immer mit unangenehmen, starken Kopfschmerzen einher. Typischerweise bestehen intensive Hinterhauptskopfschmerzen, die sich den Nacken entlang erstrecken, mit Steifheit der Cervikalmuskulatur; und weil es sich dabei um einen Kongestionskopfschmerz handelt, sind es klopfende Schmerzen.

Am besten fühlt sich der Patient in völliger Ruhe mit aufgerichtetem, in die Kissen gebettetem Kopf, ohne sich irgendwie anstrengen zu müssen. Mit den Kopfschmerzen klagt der Patient oft über Schwindel, insbesondere bei jeder Bewegung.

Bisweilen trifft man bei Gelsemium noch auf einen anderen Kopfschmerztyp. Auch dies ist ein kongestiver Kopfschmerz, aber hierbei besteht eher ein Gefühl von Enge, als ob der Kopf über den Ohren, vom Hinterhaupt bis zur Stirn, von einem engen Band eingeschnürt ist. Diese Schmerzen sind ebenfalls erheblich verschlimmert, wenn der Kopf tief gelagert wird.

Interessanterweise haben diese Patienten häufig Linderung ihrer kongestiven Kopfschmerzen durch reichlichen Harnabgang.

Bei fast allen Gelsemium-Grippen besteht ein allgemeines Wundheitsgefühl, ein schmerzhaftes Wundheitsgefühl in den Muskeln. Daran sollte man denken: es gibt andere Mittel, die ähnliche Schmerzen haben, aber diese sind viel tiefer sitzend als die Schmerzen von Gelsemium.

Nun nenne ich einige Details akuter lokaler Beschwerden.

Die meisten Gelsemium Patienten empfinden in ihrem benommenen, toxischen Zustand eine intensive Schwere der Lider. Gleichzeitig sind die Augen auf Grund der Kongestion sehr empfindlich. In der Regel besteht eine ausgeprägte Lichtempfindlichkeit, ziemlicher Tränenfluss und ein allgemeines Völlegefühl.

Hier besteht ein vermeintlicher Widerspruch; trotz der Photophobie sind Gelsemium Patienten gelegentlich ängstlich im Dunkeln und bestehen auf Licht.

Diese Patienten haben einen ganz besonders typischen Schnupfen mit wässrigen Absonderungen, heftigem Niesen intensivem Völlegefühl und Druck an der Nasenwurzel. Es ist nicht ungewöhnlich in Gelsemium-Grippen, bei denen man Verstopfung an der Nasenwurzel findet, Nasenbluten durch kraftvolles Ausschneuzen in der Vorgeschichte anzutreffen. Das sollte man sich merken, denn das findet man auch bei bestimmten Mercurius-Fällen.

Bei akutem Schnupfen klagen Gelsemium-Patienten trotz ihres heißen verschwitzten Allgemeinzustands oft über kalte Extremitäten. (Dies scheint ein Widerspruch zu sein und kann Sie auf eine falsche Fährte locken, wenn Sie die allgemeine Hitze eines typischen Gelsemium-Patienten in Betracht ziehen.)

In der Regel findet man bei Gelsemium-Grippen einen geschwollenen, geröteten, kongestionierten Hals, aber selten eine ausgeprägte, lokale Angina tonsillaris. Die Tonsillen sind zwar vergrößert, aber man findet keine Stippchen, was bei anderen Mitteln der Fall ist.

Im Gegensatz zur Abwesenheit akuter lokalisierter Symptome bestehen allerdings häufig akute Schluckschmerzen.  Das Schlucken kann wirklich schwierig sein, mit dem Gefühl des Zusammenschnürens oder eines Klumpens im Hals und es ist viel schwieriger, wenn der Patient kalte Flüssigkeiten zu sich nimmt als warme; dies erwartet man nicht, wenn man die Trockenheit des Mundes in Betracht zieht.

Im Zusammenhang mit dem Zustand von Nase und Rachen sind bei Gelsemium Grippen häufig die Ohren mitbetroffen. Aber im Gegensatz zu dem, was in unserer Materia medica beschrieben wird, habe ich selbst die stechenden Schmerzen, wie sie unter Gelsemium aufgeführt werden, nicht bobachtet und da, wo ich versucht habe, solche Schmerzen mit Gelsemium zu behandeln, hatte ich keinerlei Erfolg.

Gelsemium ist eines der Mittel, das stechende Schmerzen in den Ohren beim Schlucken hat; aber nach meiner Erfahrung ist es dafür nicht effektiv. Gelsemium hat ziemlich starkes Rauschen in den Ohren, ein Verstopfungsgefühl und relativ häufig Schwerhörigkeit und Schwindel, aber ich habe nicht beobachtet, dass akute Ohrenschmerzen auf Gelsemium ansprechen.

Relativ häufig steigt der Prozess hinab und befällt den Kehlkopf mit Stimmverlust. Im Zusammenhang mit der Laryngitis kommt es zu intensivem Krupphusten, dessen Charakter fast konvulsiv ist, krampfartig kommt und mit intensiver Luftnot einhergeht.

Typische Gelsemium-Patienten sind trotz ihres Schweißes und der Trockenheit des Mundes für gewöhnlich nicht besonders durstig. Gelegentlich trifft man einen Patienten, der sehr durstig ist, aber typisch ist das nicht.

Sie haben fast nie Appetit, sie verlangen eigentlich nach gar nichts. Sehr häufig beschweren sie sich über ein schreckliches Leeregefühl in der Brust, oft in der Herzregion. Manchmal erstreckt sich diese Empfindung ins Epigastrium und es kann sein, dass sie das Leeregeühl dort beschreiben, aber es ist nicht wirklich ein Hungergefühl und es ist nicht verknüpft mit dem Verlangen nach Speisen.

Im Zusammenhang mit dem Verdauungstrakt haben Gelsemium-Patienten oft eine gelbliche Zunge und es kann sich Ikterus einstellen.

Ziemlich oft entwickelt der Patient einen ausgeprägten abdominalen Reizzustand mit Durchfall. Für gewöhnlich ist der Stuhl ungeformt und gelblich, aber nicht besonders stinkend.

Häufig trifft man auf ein starkes Schwächegefühl im Rektum -Incontinenz oder dem Gefühl von Aftervorfall nach der Darmentleerung; und bisweilen kommt es tatsächlich, im Zusammenhang mit der Diarrhoe, zu einem Aftervorfall.
 

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